[D66] [JD: 95] Die Labor-These ist wieder im Spiel | FAZ

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Fri May 28 05:39:06 CEST 2021


„gain-of-function“-Forschung in Wuhan


  * 28 May 2021
  * Frankfurter Allgemeine Zeitung
  * Von Majid Sattar, Washington


  Die Labor-These ist wieder im Spiel


    Joe Biden vollzieht mit seiner Anweisung an die Geheimdienste einen
    Kurswechsel. Das hat viel mit dem Druck aus dem Kongress zu tun.

Als Joe Biden vor zwei Wochen im Weißen Haus den Lagebericht der
Nachrichtendienste erhielt, befand sich darin auch die Einschätzung zum
Ursprung der Covid-19-Pandemie. Die hatte der amerikanische Präsident im
März angefordert. Das Ergebnis: Die Nachrichtendienste hatten keinen
Konsens erzielt. Es folgte eine Diskussion darüber, ob man diesen
Befund, der freilich als geheim eingestuft war, zumindest in Teilen
öffentlich machen sollte. Ein Statement wurde vorbereitet, das Biden
dieser Tage präsentiert wurde: Es gebe zwei wahrscheinliche Szenarien –
die Tier-zu-Mensch-Übertragung und die Verbreitung durch einen
Laborunfall. Eine eindeutige Schlussfolgerung der Dienste gebe es nicht.

/Foto AFP /Auch er dringt auf weitere Untersuchungen: Anthony Fauci

Da diese Einschätzung aus Sicht des Präsidenten nichts zur Klärung
betragen würde, verzichtete er zunächst auf die Veröffentlichung, wie
amerikanische Medien berichten. Als China dann zu Wochenbeginn deutlich
machte, dass es sich nicht an weiteren Untersuchungen der
Weltgesundheitsbehörde (WHO) beteiligen werde, entschied Biden, seinen
Kurs zu ändern. Am Mittwoch veröffentlichte er ein Statement, in dem er
mitteilte, seine Nachrichtendienste angewiesen zu haben, ihre Bemühungen
zu verstärken und binnen 90 Tagen einen weiteren Bericht vorzulegen.
Weiter hieß es, die Vereinigten Staaten arbeiteten dabei mit
gleichgesinnten Partnern in der Welt zusammen, um China zu Transparenz
zu drängen und einen Zugang zu Daten zu erhalten. Bisher hatte das Weiße
Haus die Notwendigkeit einer eigenen Untersuchung bestritten. Die WHO
sei der richtige Ort dafür. Das passte zur Linie des Demokraten, die
multilateralen Institutionen nach der Trump-Ära wieder zu stärken.
Bidens Vorgänger Donald Trump hatte angekündigt, sich aus der WHO, die
er für ein Instrument Pekings hielt, zurückzuziehen. Biden revidierte
dies. Und obschon seine Regierung China generell härter konfrontieren
will, schlug er mit Blick auf die Pandemie einen anderen Ton an: Zwar
bekräftigte er seine Kritik daran, dass die Volksrepublik amerikanischen
Fachleuten vom „Centers of Disease Control“keinen Zutritt gewährt hat.
Trumps „China-Virus“-Gerede wies er aber zurück.

Die Anweisung an die Nachrichtendienste, eine eigene Untersuchung zu
führen, stellt einen Kurswechsel dar. Noch am Dienstag hatte
Gesundheitsminister Xavier Becerra während eines virtuellen WHO-Treffens
darauf gedrungen, dass die Behörde in Genf ihre Untersuchungen ausweite.
Hintergrund des Schwenks ist gewiss das Mauern Chinas und die
Frustration über die WHO. Biden muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass
sich die Stimmung auf dem Kapitolshügel dreht. In seiner Erklärung vom
Mittwoch heißt es denn auch, er habe die Dienste aufgefordert, den
Kongress vollständig in Kenntnis zu setzen. Bislang waren es lediglich
Republikaner, vor allem jene aus dem Lager der Trumpisten, welche die
Labor-These immer wieder aufgriffen, nach der das Coronavirus durch
einen Unfall am Institut für Virologie in Wuhan freigesetzt worden sei –
was Peking bestreitet. Kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt hatte
Außenminister Mike Pompeo ein Papier veröffentlicht, mit dem er die
Labor-These zu untermauern suchte: So hieß es, die Regierung habe Grund
zur Annahme, dass mehrere Forscher des Wuhaner Instituts im Herbst 2019
erkrankt seien und Symptome entwickelt hätten, die Covid und anderen
saisonalen Erkrankungen ähnelten. Das Wall Street Journal berichtete
dieser Tage darüber, dass diese Information auf nachrichtendienstliche
Erkenntnisse zurückgingen, die zum Ende der Amtszeit Trumps der
Regierung vorgelegt worden seien. Diese Erkenntnisse dürften auch Teil
des ersten Berichts gewesen sein, der Biden vorgelegt wurde –
Erkenntnisse, über welche die Dienste selbst äußern, sie stützten die
These nur mit niedriger bis mittlerer Sicherheit.

Im Kongress diente das Pompeo-Papier den Republikanern gleichwohl als
Grundlage dafür, Mitglieder der BidenRegierung zu „grillen“. Besonders
im Fokus stand Anthony Fauci, der Direktor des Nationalen Instituts für
Allergien und Infektionskrankheiten. Dieser war immer wieder mit Trump
aneinandergeraten und, nach dem Regierungswechsel, von Biden zum
medizinischen Chefberater ernannt worden. Mitte Mai ging Rand Paul, ein
libertär-konservativer Senator aus Kentucky, Fauci in einer Anhörung
scharf an: Ob er immer noch unterstützte, dass die „National Institutes
of Health“(NIH), zu denen auch Faucis Einrichtung gehört, die
„gain-of-function“-Forschung in Wuhan finanziere?
„Super-Viren“aufzuladen sei ja nicht neu. Amerikanische Wissenschaftler
wüssten schon lange, wie man tierische Viren mutiere, um Menschen
anzustecken.

Fauci wies den Vorwurf zurück: Die NIH hätten diese Forschung in Wuhan
nie finanziert. Pauls Versuch, die Laborthese für einen Generalangriff
auf die staatliche Forschungspolitik zu nutzen, ging zwar viral durchs
Netz, erfuhr aber wenig Widerhall im Kongress. Gleichwohl fand die
Einschätzung auch im Lager von Demokraten Unterstützung, dass der
Kongress seiner Aufgabe, als Gesetzgeber dafür zu sorgen, eine nächste
Pandemie zu verhindern, nur nachkommen könne, wenn er der Frage
nachgehe, wie Covid-19 entstanden sei. Auch Fauci reagierte: Hatte er
bislang die Labor-These verworfen, äußerte er nun, er sei nicht sicher,
dass das Virus über einen Zwischenwirt auf den Menschen übergegangen
sei. Er glaube, man müsse weiter untersuchen, was in China passiert sei.

Am Mittwoch gelang es zwei Republikanern, ohne demokratische
Gegenstimmen einen Gesetzentwurf durch den Senat zu bringen, mit dem
alle nachrichtendienstliche Berichte freigegeben werden sollen, die
Erkenntnisse über mögliche Verbindungen zwischen China und dem Ursprung
der Pandemie enthielten. Es ist offen, ob das Repräsentantenhaus dem
folgt, beziehungsweise, wie Biden zu der Freigabe steht. Zuvor hatte der
Senat schon einen Entwurf verabschiedet, in dem sich Republikaner und
Demokraten dafür aussprachen, finanzielle Unterstützung für das Institut
für Virologie in Wuhan sowie für jegliche „gain-of-function„ -Forschung
in China zu verbieten.

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