<html>
<head>
<meta http-equiv="content-type" content="text/html; charset=UTF-8">
</head>
<body text="#000000" bgcolor="#f9f9fa">
<p> „gain-of-function“-Forschung in Wuhan</p>
<p><br>
</p>
<ul class="art-meta">
<li>28 May 2021</li>
<li>Frankfurter Allgemeine Zeitung</li>
<li>Von Majid Sattar, Washington</li>
</ul>
<h1>Die Labor-These ist wieder im Spiel<a class="button b-translate
b-exp"><span></span></a><span class="slider"><span></span></span></h1>
<div class="clear">
<div class="art-layout-a-2x" id="testArtCol_a">
<h2>Joe Biden vollzieht mit seiner Anweisung an die
Geheimdienste einen Kurswechsel. Das hat viel mit dem Druck
aus dem Kongress zu tun.</h2>
<p> Als Joe Biden vor zwei Wochen im Weißen Haus den Lagebericht
der Nachrichtendienste erhielt, befand sich darin auch die
Einschätzung zum Ursprung der Covid-19-Pandemie. Die hatte der
amerikanische Präsident im März angefordert. Das Ergebnis: Die
Nachrichtendienste hatten keinen Konsens erzielt. Es folgte
eine Diskussion darüber, ob man diesen Befund, der freilich
als geheim eingestuft war, zumindest in Teilen öffentlich
machen sollte. Ein Statement wurde vorbereitet, das Biden
dieser Tage präsentiert wurde: Es gebe zwei wahrscheinliche
Szenarien – die Tier-zu-Mensch-Übertragung und die Verbreitung
durch einen Laborunfall. Eine eindeutige Schlussfolgerung der
Dienste gebe es nicht. </p>
<span class="art-object art-mainimage" id="artObjectWrap"
style="height: 0em;"><a><img
src="https://i.prcdn.co/img?regionguid=66f924ca-f4b1-4670-b23a-e64100234225&scale=267&file=30052021052800000000001001®ionKey=N9czH5dWcdfL8jwJKcrDyA%3d%3d"
id="artObject" width="216" height="268"><em>Foto AFP </em></a></span><span
class="art-imagetext">Auch er dringt auf weitere
Untersuchungen: Anthony Fauci</span>
<p>
Da diese Einschätzung aus Sicht des Präsidenten nichts zur
Klärung betragen würde, verzichtete er zunächst auf die
Veröffentlichung, wie amerikanische Medien berichten. Als
China dann zu Wochenbeginn deutlich machte, dass es sich nicht
an weiteren Untersuchungen der Weltgesundheitsbehörde (WHO)
beteiligen werde, entschied Biden, seinen Kurs zu ändern. Am
Mittwoch veröffentlichte er ein Statement, in dem er
mitteilte, seine Nachrichtendienste angewiesen zu haben, ihre
Bemühungen zu verstärken und binnen 90 Tagen einen weiteren
Bericht vorzulegen. Weiter hieß es, die Vereinigten Staaten
arbeiteten dabei mit gleichgesinnten Partnern in der Welt
zusammen, um China zu Transparenz zu drängen und einen Zugang
zu Daten zu erhalten. Bisher hatte das Weiße Haus die
Notwendigkeit einer eigenen Untersuchung bestritten. Die WHO
sei der richtige Ort dafür. Das passte zur Linie des
Demokraten, die multilateralen Institutionen nach der
Trump-Ära wieder zu stärken. Bidens Vorgänger Donald Trump
hatte angekündigt, sich aus der WHO, die er für ein Instrument
Pekings hielt, zurückzuziehen. Biden revidierte dies. Und
obschon seine Regierung China generell härter konfrontieren
will, schlug er mit Blick auf die Pandemie einen anderen Ton
an: Zwar bekräftigte er seine Kritik daran, dass die
Volksrepublik amerikanischen Fachleuten vom „Centers of
Disease Control“keinen Zutritt gewährt hat. Trumps
„China-Virus“-Gerede wies er aber zurück. </p>
<p>
Die Anweisung an die Nachrichtendienste, eine eigene
Untersuchung zu führen, stellt einen Kurswechsel dar. Noch am
Dienstag hatte Gesundheitsminister Xavier Becerra während
eines virtuellen WHO-Treffens darauf gedrungen, dass die
Behörde in Genf ihre Untersuchungen ausweite. Hintergrund des
Schwenks ist gewiss das Mauern Chinas und die Frustration über
die WHO. Biden muss aber auch zur Kenntnis nehmen, dass sich
die Stimmung auf dem Kapitolshügel dreht. In seiner Erklärung
vom Mittwoch heißt es denn auch, er habe die Dienste
aufgefordert, den Kongress vollständig in Kenntnis zu setzen.
Bislang waren es lediglich Republikaner, vor allem jene aus
dem Lager der Trumpisten, welche die Labor-These immer wieder
aufgriffen, nach der das Coronavirus durch einen Unfall am
Institut für Virologie in Wuhan freigesetzt worden sei – was
Peking bestreitet. Kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt
hatte Außenminister Mike Pompeo ein Papier veröffentlicht, mit
dem er die Labor-These zu untermauern suchte: So hieß es, die
Regierung habe Grund zur Annahme, dass mehrere Forscher des
Wuhaner Instituts im Herbst 2019 erkrankt seien und Symptome
entwickelt hätten, die Covid und anderen saisonalen
Erkrankungen ähnelten. Das Wall Street Journal berichtete
dieser Tage darüber, dass diese Information auf
nachrichtendienstliche Erkenntnisse zurückgingen, die zum Ende
der Amtszeit Trumps der Regierung vorgelegt worden seien.
Diese Erkenntnisse dürften auch Teil des ersten Berichts
gewesen sein, der Biden vorgelegt wurde – Erkenntnisse, über
welche die Dienste selbst äußern, sie stützten die These nur
mit niedriger bis mittlerer Sicherheit. </p>
</div>
<div class="art-layout-b-2x" id="testArtCol_b">
<p> Im Kongress diente das Pompeo-Papier den Republikanern
gleichwohl als Grundlage dafür, Mitglieder der BidenRegierung
zu „grillen“. Besonders im Fokus stand Anthony Fauci, der
Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und
Infektionskrankheiten. Dieser war immer wieder mit Trump
aneinandergeraten und, nach dem Regierungswechsel, von Biden
zum medizinischen Chefberater ernannt worden. Mitte Mai ging
Rand Paul, ein libertär-konservativer Senator aus Kentucky,
Fauci in einer Anhörung scharf an: Ob er immer noch
unterstützte, dass die „National Institutes of Health“(NIH),
zu denen auch Faucis Einrichtung gehört, die
„gain-of-function“-Forschung in Wuhan finanziere?
„Super-Viren“aufzuladen sei ja nicht neu. Amerikanische
Wissenschaftler wüssten schon lange, wie man tierische Viren
mutiere, um Menschen anzustecken. </p>
<p> Fauci wies den Vorwurf zurück: Die NIH hätten diese
Forschung in Wuhan nie finanziert. Pauls Versuch, die
Laborthese für einen Generalangriff auf die staatliche
Forschungspolitik zu nutzen, ging zwar viral durchs Netz,
erfuhr aber wenig Widerhall im Kongress. Gleichwohl fand die
Einschätzung auch im Lager von Demokraten Unterstützung, dass
der Kongress seiner Aufgabe, als Gesetzgeber dafür zu sorgen,
eine nächste Pandemie zu verhindern, nur nachkommen könne,
wenn er der Frage nachgehe, wie Covid-19 entstanden sei. Auch
Fauci reagierte: Hatte er bislang die Labor-These verworfen,
äußerte er nun, er sei nicht sicher, dass das Virus über einen
Zwischenwirt auf den Menschen übergegangen sei. Er glaube, man
müsse weiter untersuchen, was in China passiert sei. </p>
<p> Am Mittwoch gelang es zwei Republikanern, ohne demokratische
Gegenstimmen einen Gesetzentwurf durch den Senat zu bringen,
mit dem alle nachrichtendienstliche Berichte freigegeben
werden sollen, die Erkenntnisse über mögliche Verbindungen
zwischen China und dem Ursprung der Pandemie enthielten. Es
ist offen, ob das Repräsentantenhaus dem folgt,
beziehungsweise, wie Biden zu der Freigabe steht. Zuvor hatte
der Senat schon einen Entwurf verabschiedet, in dem sich
Republikaner und Demokraten dafür aussprachen, finanzielle
Unterstützung für das Institut für Virologie in Wuhan sowie
für jegliche „gain-of-function„ -Forschung in China zu
verbieten. </p>
</div>
</div>
</body>
</html>