[D66] EU schlägt wegen Infektionszahlen Alarm
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Fri Sep 25 06:41:46 CEST 2020
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* 25 Sep 2020
* Frankfurter Allgemeine Zeitung
* Von Matthias Wyssuwa
EU schlägt wegen Infektionszahlen Alarm
Kommissarin: Entscheidender Moment / Strengere Regeln für private
Feiern in NRW
T.G./ahan. BRÜSSEL/FRANKFURT. Die EU-Kommission hat am Donnerstag wegen
der stark steigenden Infektionen mit dem Coronavirus Alarm geschlagen.
„In einigen Mitgliedstaaten ist die Lage jetzt sogar schlimmer als
während des Höhepunkts im März“, sagte Gesundheitskommissarin Stella
Kyriakides. Sie warnte vor einer „tödlichen doppelten Pandemie“wegen der
nun ebenfalls beginnenden Grippesaison, welche die Gesundheitssysteme
überlasten könnte. „Alle Mitgliedstaaten müssen sofort Gegenmaßnahmen
ergreifen, und zwar beim ersten Anzeichen neuer möglicher Ausbrüche.“Die
Kommissarin sprach von einem „entscheidenden Moment“: „Es könnte unsere
letzte Chance sein, eine Wiederholung des vergangenen Frühjahrs zu
verhindern.“
Flankiert wurde die eindringliche Warnung mit einer neuen
Risikoeinschätzung der europäischen Infektionsschutzbehörde ECDC. Am
bedrohlichsten ist die Lage demnach in Bulgarien, Kroatien, Malta,
Spanien, der Tschechischen Republik und Ungarn. In diesen Staaten gebe
es einen hohen Anteil älterer Patienten, mithin auch schwere Verläufe
und stark steigende Todeszahlen. In Teilen dieser Länder stehe das
Gesundheitssystem schon jetzt unter Druck, die Intensivstationen seien
stark belegt und das Personal erschöpft. „Besorgniserregende
Entwicklungen“verzeichnet das ECDC in einem Dutzend weiterer Staaten.
Deutschland findet sich in der dritten Gruppe von Ländern mit „stabilen
Trends“, wo die Infektionen zwar zunehmen, jedoch bis dato kaum die
ältere Bevölkerung betreffen. ECDC-Direktorin Andrea Ammon sagte,
vielerorts hätten private Feiern die Ansteckungsraten in die Höhe
getrieben.
In Nordrhein-Westfalen reagierte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann
(CDU) am Donnerstag auf den CoronaAusbruch nach einer Hochzeitsfeier
unter anderem in Hamm. Laumann kündigte an, die Regeln für private
Feiern von Oktober an zu verschärfen. „Ich möchte nicht, dass wir im
schlimmsten Fall vor der Entscheidung stehen, große Feiern gänzlich zu
verbieten“, sagte Laumann der F.A.Z. Künftig sollen daher private Feiern
ab 50 Teilnehmern mindestens zwei Wochen vorher beim Ordnungsamt mit
Gästeliste und einer verantwortlichen Person angemeldet werden. So solle
sichergestellt werden, „dass die bestehenden Regeln der
Corona-Schutzverordnung auch eingehalten werden“. In Hamm wurden
inzwischen rund 150 Infektionen von Teilnehmern der Hochzeitsfeier
gemeldet. In Dänemark stellt man sich die ganz unangenehmen Fragen. Eine
davon wurde gerade auf der Titelseite der Zeitung „Politiken“diskutiert.
Es ging darum, ob man sich in Dänemark mit dem Umgang mit der
Corona-Krise geirrt habe – und der sonst eher skeptisch betrachtete
Nachbar Schweden vielleicht doch recht gehabt haben könnte? Schließlich
stiegen in Dänemark die Infektionszhlen, während die schwedische
Infektionsrate zu den niedrigsten in Europa zähle, wurde in dem Text
argumentiert. Es ging um die Herdenimmunität und neue Erkenntnisse, dass
sie womöglich schon früher erreicht sein könnte.
Es ging aber auch um den Vergleich zweier ganz unterschiedlicher
Strategien im Kampf gegen die Ausbreitung des CoronaVirus. Denn während
Schweden lange mit weniger Verboten und Eingriffen in das öffentliche
Leben reagierte, war man in Dänemark der „Hammer und Tanz“-Strategie
gefolgt – droht nun aber, beim Tanzen aus dem Takt zu kommen. Kurz
nachdem der Artikel erschienen war, wurden neue Rekord-Infektionszahlen
gemeldet. Jetzt hat das Robert-Koch-Institut die Hauptstadtregion sogar
als Risikogebiet eingestuft.
Die Dänen hatten bei dem Ausbruch der Pandemie in Europa den Hammer noch
früher herausgeholt als die meisten anderen Länder. Schnell stellte sich
der Erfolg ein: Die Infektions- und Todeszahlen blieben gering. Die
Dänen begannen dann aber auch früher als die meisten Länder mit dem
„Tanz“in der Pandemie. Schon von April an gab es große Lockerungen, so
durften nicht nur viele Geschäfte wieder öffnen, sondern auch die
Schüler wieder zurück in die Schulen. Mitte Juni öffneten sich dann die
Grenzen zu den Nachbarn – nur zunächst nicht zu Schweden, die
Infektionszahlen waren zu hoch.
Das alles folgte einem Plan zur Öffnung des Landes in mehreren Phasen,
den die Regierung unter der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin
Mette Frederiksen ausgehandelt hatte. Im Blick war dabei auch der für
das Land sehr wichtige Tourismus, vor allem aus Deutschland. Doch auch
wenn die ersten Schritte noch umgesetzt werden konnten, gab es bald
Probleme, einzelne Lockerungen kamen nicht wie geplant. Selbst die lange
als kaum sinnvoll betrachtete Maskenpflicht kam schließlich doch noch in
Dänemark. Aarhus hatte schon im August mit stark ansteigenden
Infektionszahlen zu kämpfen und führte die erste Maskenpflicht im
Nahverkehr ein. Wenig später teilte Frederiksen mit, dass diese überall
im Land gelten solle.
Trotzdem stiegen die Zahlen weiter an, in den vergangen Tagen kamen
jeweils mehr als 500 Infektionen pro Tag hinzu, am Donnerstag waren es
559. Während der ersten Welle hatte der Höchstwert für einen Tag Anfang
April bei 408 gelegen, und auch wenn in Dänemark jetzt mehr getestet
wird, steigen die Zahlen auch in den Krankenhäusern. Mit 95 Patienten
insgesamt sei die Zahl so hoch wie seit Anfang Juni nicht mehr, teilten
die Behörden mit.
Die Regierung ist jedenfalls alarmiert, vor allem in Kopenhagen macht
die Ausbreitung des Virus Sorgen. Verschärfungen zunächst nur für die
Hauptstadtregion gelten nun im ganzen Land: Es sind nur noch
Versammlungen bis zu fünfzig Personen erlaubt, Bars und Restaurants
müssen um 22 Uhr schließen und alle Angestellten und Gäste müssen einen
Mundschutz tragen, wenn sie nicht sitzen. Man sei noch nicht dort, wo
man Mitte März gewesen sei, teilte Frederiksen mit – aber man müsse
jetzt alles tun, damit es nicht wieder so weit komme. Fredriksen schrieb
auch, der Tanz mit Covid-19 sei nicht einfach, aber sie sei zuversichtlich.
Eine Zahl immerhin spricht klar für den dänischen Weg: Bislang sind im
Land 645 Menschen an oder mit dem Virus gestorben, 23 420 Infektionen
wurden registriert. In Schweden mit seinen knapp doppelt so vielen
Einwohnern sind es 5785 Tote, und mehr als 90 000 Infizierte. Und
langsam steigen auch in Schweden die Infektionszahlen wieder. Die
Entwicklung in Schweden gehe langsam in die falsche Richtung, äußerte
Staatsepidemiologe Anders Tegnell. Und Ministerpräsident Stefan Löfven
teilte am Donnerstag mit, dass es aufgrund der neuen Zahlen keine
weiteren Lockerungen der Corona-Auflagen in Schweden geben werde.
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