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<li>Article rank <span class="art-rank-0"></span></li>
<li>25 Sep 2020</li>
<li>Frankfurter Allgemeine Zeitung</li>
<li>Von Matthias Wyssuwa</li>
</ul>
<h1>EU schlägt wegen Infektionszahlen Alarm<a class="button
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<h2>Kommissarin: Entscheidender Moment / Strengere Regeln für
private Feiern in NRW</h2>
<p>
T.G./ahan. BRÜSSEL/FRANKFURT. Die EU-Kommission hat am
Donnerstag wegen der stark steigenden Infektionen mit dem
Coronavirus Alarm geschlagen. „In einigen Mitgliedstaaten ist
die Lage jetzt sogar schlimmer als während des Höhepunkts im
März“, sagte Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides. Sie
warnte vor einer „tödlichen doppelten Pandemie“wegen der nun
ebenfalls beginnenden Grippesaison, welche die
Gesundheitssysteme überlasten könnte. „Alle Mitgliedstaaten
müssen sofort Gegenmaßnahmen ergreifen, und zwar beim ersten
Anzeichen neuer möglicher Ausbrüche.“Die Kommissarin sprach
von einem „entscheidenden Moment“: „Es könnte unsere letzte
Chance sein, eine Wiederholung des vergangenen Frühjahrs zu
verhindern.“ </p>
<p>
Flankiert wurde die eindringliche Warnung mit einer neuen
Risikoeinschätzung der europäischen Infektionsschutzbehörde
ECDC. Am bedrohlichsten ist die Lage demnach in Bulgarien,
Kroatien, Malta, Spanien, der Tschechischen Republik und
Ungarn. In diesen Staaten gebe es einen hohen Anteil älterer
Patienten, mithin auch schwere Verläufe und stark steigende
Todeszahlen. In Teilen dieser Länder stehe das
Gesundheitssystem schon jetzt unter Druck, die
Intensivstationen seien stark belegt und das Personal
erschöpft. „Besorgniserregende Entwicklungen“verzeichnet das
ECDC in einem Dutzend weiterer Staaten. Deutschland findet
sich in der dritten Gruppe von Ländern mit „stabilen Trends“,
wo die Infektionen zwar zunehmen, jedoch bis dato kaum die
ältere Bevölkerung betreffen. ECDC-Direktorin Andrea Ammon
sagte, vielerorts hätten private Feiern die Ansteckungsraten
in die Höhe getrieben. </p>
<p>
In Nordrhein-Westfalen reagierte Gesundheitsminister
Karl-Josef Laumann (CDU) am Donnerstag auf den CoronaAusbruch
nach einer Hochzeitsfeier unter anderem in Hamm. Laumann
kündigte an, die Regeln für private Feiern von Oktober an zu
verschärfen. „Ich möchte nicht, dass wir im schlimmsten Fall
vor der Entscheidung stehen, große Feiern gänzlich zu
verbieten“, sagte Laumann der F.A.Z. Künftig sollen daher
private Feiern ab 50 Teilnehmern mindestens zwei Wochen vorher
beim Ordnungsamt mit Gästeliste und einer verantwortlichen
Person angemeldet werden. So solle sichergestellt werden,
„dass die bestehenden Regeln der Corona-Schutzverordnung auch
eingehalten werden“. In Hamm wurden inzwischen rund 150
Infektionen von Teilnehmern der Hochzeitsfeier gemeldet. In
Dänemark stellt man sich die ganz unangenehmen Fragen. Eine
davon wurde gerade auf der Titelseite der Zeitung
„Politiken“diskutiert. Es ging darum, ob man sich in Dänemark
mit dem Umgang mit der Corona-Krise geirrt habe – und der
sonst eher skeptisch betrachtete Nachbar Schweden vielleicht
doch recht gehabt haben könnte? Schließlich stiegen in
Dänemark die Infektionszhlen, während die schwedische
Infektionsrate zu den niedrigsten in Europa zähle, wurde in
dem Text argumentiert. Es ging um die Herdenimmunität und neue
Erkenntnisse, dass sie womöglich schon früher erreicht sein
könnte. </p>
<p>
Es ging aber auch um den Vergleich zweier ganz
unterschiedlicher Strategien im Kampf gegen die Ausbreitung
des CoronaVirus. Denn während Schweden lange mit weniger
Verboten und Eingriffen in das öffentliche Leben reagierte,
war man in Dänemark der „Hammer und Tanz“-Strategie gefolgt –
droht nun aber, beim Tanzen aus dem Takt zu kommen. Kurz
nachdem der Artikel erschienen war, wurden neue
Rekord-Infektionszahlen gemeldet. Jetzt hat das
Robert-Koch-Institut die Hauptstadtregion sogar als
Risikogebiet eingestuft. </p>
</div>
<div class="art-layout-b-2x" id="testArtCol_b">
<p> Die Dänen hatten bei dem Ausbruch der Pandemie in Europa den
Hammer noch früher herausgeholt als die meisten anderen
Länder. Schnell stellte sich der Erfolg ein: Die Infektions-
und Todeszahlen blieben gering. Die Dänen begannen dann aber
auch früher als die meisten Länder mit dem „Tanz“in der
Pandemie. Schon von April an gab es große Lockerungen, so
durften nicht nur viele Geschäfte wieder öffnen, sondern auch
die Schüler wieder zurück in die Schulen. Mitte Juni öffneten
sich dann die Grenzen zu den Nachbarn – nur zunächst nicht zu
Schweden, die Infektionszahlen waren zu hoch. </p>
<p> Das alles folgte einem Plan zur Öffnung des Landes in
mehreren Phasen, den die Regierung unter der
sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen
ausgehandelt hatte. Im Blick war dabei auch der für das Land
sehr wichtige Tourismus, vor allem aus Deutschland. Doch auch
wenn die ersten Schritte noch umgesetzt werden konnten, gab es
bald Probleme, einzelne Lockerungen kamen nicht wie geplant.
Selbst die lange als kaum sinnvoll betrachtete Maskenpflicht
kam schließlich doch noch in Dänemark. Aarhus hatte schon im
August mit stark ansteigenden Infektionszahlen zu kämpfen und
führte die erste Maskenpflicht im Nahverkehr ein. Wenig später
teilte Frederiksen mit, dass diese überall im Land gelten
solle. </p>
<p> Trotzdem stiegen die Zahlen weiter an, in den vergangen
Tagen kamen jeweils mehr als 500 Infektionen pro Tag hinzu, am
Donnerstag waren es 559. Während der ersten Welle hatte der
Höchstwert für einen Tag Anfang April bei 408 gelegen, und
auch wenn in Dänemark jetzt mehr getestet wird, steigen die
Zahlen auch in den Krankenhäusern. Mit 95 Patienten insgesamt
sei die Zahl so hoch wie seit Anfang Juni nicht mehr, teilten
die Behörden mit. </p>
<p> Die Regierung ist jedenfalls alarmiert, vor allem in
Kopenhagen macht die Ausbreitung des Virus Sorgen.
Verschärfungen zunächst nur für die Hauptstadtregion gelten
nun im ganzen Land: Es sind nur noch Versammlungen bis zu
fünfzig Personen erlaubt, Bars und Restaurants müssen um 22
Uhr schließen und alle Angestellten und Gäste müssen einen
Mundschutz tragen, wenn sie nicht sitzen. Man sei noch nicht
dort, wo man Mitte März gewesen sei, teilte Frederiksen mit –
aber man müsse jetzt alles tun, damit es nicht wieder so weit
komme. Fredriksen schrieb auch, der Tanz mit Covid-19 sei
nicht einfach, aber sie sei zuversichtlich. </p>
<p> Eine Zahl immerhin spricht klar für den dänischen Weg:
Bislang sind im Land 645 Menschen an oder mit dem Virus
gestorben, 23 420 Infektionen wurden registriert. In Schweden
mit seinen knapp doppelt so vielen Einwohnern sind es 5785
Tote, und mehr als 90 000 Infizierte. Und langsam steigen auch
in Schweden die Infektionszahlen wieder. Die Entwicklung in
Schweden gehe langsam in die falsche Richtung, äußerte
Staatsepidemiologe Anders Tegnell. Und Ministerpräsident
Stefan Löfven teilte am Donnerstag mit, dass es aufgrund der
neuen Zahlen keine weiteren Lockerungen der Corona-Auflagen in
Schweden geben werde. </p>
</div>
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