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<h1 class="agrq4zn">Ursprung des Coronavirus: US-Geheimdienste
wissen es nicht</h1>
<div class="a1ryita6">
<div class="b5fas5x">By</div>
<div class="a10bb9a5"><span class="awkz85g">Hubert Wetzel </span></div>
<div class="d1slxp1m">Süddeutsche Zeitung</div>
<div class="t1wtd119">5 min</div>
</div>
<div class="p1kdv8ol"><a id="reader.external-link.view-original"
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href="https://www.sueddeutsche.de/politik/ursprung-coronavirus-us-geheimdienste-labor-wuhan-biden-1.5305275?fbclid=IwAR2qa-YR24Ifi1yNXXwgZoNZGFdsS1EBxW_5DwRqCEVYKx6JG04QaTJGZ1Q"
target="_blank">View Original</a></div>
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<p>Wie und wo sich der erste Mensch mit dem Coronavirus
infiziert hat, wissen nicht einmal die
US-Geheimdienste genau. Präsident Biden will
herausfinden, ob es in einem Forschungsinstitut in
Wuhan passiert ist. Die Antwort könnte enorme
politische Folgen haben. </p>
</div>
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<p>Das inoffizielle Motto der CIA ist ein Bibelzitat.
Evangelium des Johannes, Kapitel 8, Vers 32: "Dann
werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird
euch frei machen." Der US-Auslandsgeheimdienst erzählt
zwar nicht immer die Wahrheit. Aber es ist seine
Aufgabe, die Wahrheit zu wissen. Erst recht, wenn das
Leben von Millionen Amerikanern auf dem Spiel steht.</p>
<p>Insofern war die <a
href="https://www.whitehouse.gov/briefing-room/statements-releases/2021/05/26/statement-by-president-joe-biden-on-the-investigation-into-the-origins-of-covid-19/"
target="_blank" rel="noopener noreferrer"
id="reader.external-link.num-2">Presseerklärung</a>,
die <a
href="https://www.sueddeutsche.de/thema/Joe_Biden"
target="_blank" rel="noopener noreferrer"
id="reader.external-link.num-3">Joe Biden</a> am
Mittwoch herausgegeben hat, durchaus bemerkenswert.
Der US-Präsident stellte darin offen fest, dass die
Geheimdienste seines Landes, allen voran die
zuständige CIA, keine verlässlichen Erkenntnisse dazu
haben, wie das Virus mit dem Namen Sars-CoV-2 in die
Welt gekommen ist, das weltweit bisher mindestens 3,5
Millionen Menschen getötet hat, davon fast 600 000 in
den Vereinigten Staaten. Es gebe zu dieser Frage zwar
unterschiedliche Szenarien, so Biden, aber keine
definitiven Schlussfolgerungen. Er habe die US-Dienste
daher angewiesen, noch einmal nachzuforschen und ihm
in 90 Tagen Bericht zu erstatten.</p>
<p>Bemerkenswert war die Stellungnahme aber auch, weil
Biden darin ausdrücklich ein Szenario erwähnte, das
politisch extrem heikel ist: die Theorie, dass das
Virus nicht auf natürlichem Wege von einem Tier auf
den Menschen übergesprungen ist, sondern bei einem
Unfall in einem chinesischen Labor. Biden befeuert
damit auf höchster politischer Ebene eine Debatte über
zwei Fragen, die seit dem Beginn der Pandemie immer
wieder aufflackert: Woher stammt das Virus? Und wie,
wo und wann hat es erstmals einen Menschen infiziert?
Je nachdem, zu welchen Antworten die US-Dienste
kommen, könnten die Folgen erheblich sein.</p>
<p>Bisher haben viele westliche Wissenschaftler, die
Regierung in Peking sowie die
Weltgesundheitsorganisation (WHO) die These vertreten,
dass Sars-CoV-2 sich mit großer Wahrscheinlichkeit in
einem Tier durch natürliche Evolution entwickelt hat,
wohl in einer Fledermaus. Von diesem Tier soll es auf
den Menschen übergesprungen sein, entweder durch
direkten Kontakt oder auf dem Umweg über ein weiteres
Wirtstier. Solche sogenannten zoonotischen Infektionen
sind nicht ungewöhnlich. Ebenso ist bekannt, dass
Coronaviren, wie Sars-CoV-2 eines ist, in Fledermäusen
vorkommen. Als wahrscheinlicher Übertragungsort gilt
ein Tiermarkt in Wuhan, jener chinesischen Stadt, in
der die Pandemie um die Jahreswende 2019/2020 ihren
Anfang genommen hat.</p>
<h3>US-Diplomaten warnten schon vor Jahren vor
Sicherheitsmängel in dem Labor in Wuhan</h3>
<p>Seit einigen Wochen wird in Fachkreisen aber auch
zunehmend eine zweite These zum Infektionsweg für
plausibel gehalten. Danach hat die erste Infektion
eines Menschen mit Sars-Cov-2 nicht in der freien
Natur oder irgendwo auf einem schlecht geputzten Markt
stattgefunden, sondern in einem Labor des Instituts
für Virologie in Wuhan. Zwar gibt es derzeit nach
allem, was öffentlich bekannt ist, keine Belege dafür,
dass das Virus in einem Labor künstlich hergestellt
oder genetisch manipuliert wurde, etwa im Rahmen eines
Biowaffen-Programms. Auch Biden erhebt diesen
Vorwurf nicht.</p>
<p>Aber denkbar ist, dass chinesische Wissenschaftler in
dem Wuhaner Institut an natürlich entstandenen
Coronaviren geforscht haben, die sie zuvor aus
Fledermäusen isoliert hatten - unter anderem an dem
Virus, das später Sars-CoV-2 genannt wurde. Bei dieser
Arbeit könnten die Forscher sich aus Versehen
infiziert und dann das Virus nach draußen
getragen haben.</p>
<p>Zwei Hinweise stützen diese These. Erstens:
US-Diplomaten, die das Institut in Wuhan besuchen
durften, <a
href="https://www.washingtonpost.com/opinions/2020/04/14/state-department-cables-warned-safety-issues-wuhan-lab-studying-bat-coronaviruses/"
target="_blank" rel="noopener noreferrer"
id="reader.external-link.num-4">haben offenbar schon
vor Jahren vor schweren Sicherheitsmängeln dort
gewarnt</a>. Zweitens: <a
href="https://2017-2021.state.gov/fact-sheet-activity-at-the-wuhan-institute-of-virology/index.html"
target="_blank" rel="noopener noreferrer"
id="reader.external-link.num-5">Dem
US-Außenministerium zufolge</a> erkrankten bereits
im Herbst 2019 mehrere Mitarbeiter des Wuhaner
Instituts. Ihre Symptome sollen denen einer
Covid-19-Infektion geglichen haben.</p>
<h3>Die Bestätigung der Labor-Theorie wäre ein später
Triumph für Trump</h3>
<p>Biden zufolge gibt es unter den diversen
amerikanischen Geheimdiensten keine einheitliche
Meinung, welches Szenario zutrifft. In seiner
Stellungnahme vom Mittwoch schrieb er, dass zwei
Dienste einen natürlichen Infektionsweg für
wahrscheinlicher hielten, ein anderer Dienst neige
dagegen der These zu, es habe einen Labor-Unfall in
Wuhan gegeben. Alle drei Dienste seien von der Theorie
ihrer Wahl jedoch "kaum oder nur mäßig" überzeugt.</p>
<p>Das heißt: Im Grunde haben die USA keine Ahnung,
unter welchen Umständen die Pandemie begonnen hat.
Aber der Präsident nimmt die These vom Labor-Unfall
offensichtlich ernst.</p>
<p>Von den Antworten auf die Fragen nach dem Ursprung
des Virus hängt viel ab. Sollte sich herausstellen,
dass die Pandemie kein natürlich verursachtes Ereignis
ist, ein Akt Gottes sozusagen, sondern durch
Schlamperei in einem chinesischen Labor angestoßen
wurde, wäre Peking blamiert. Es ist daher wohl kein
Zufall, dass die chinesische Regierung bei der
Aufklärung der Anfänge der Pandemie nicht besonders
hilfreich ist und betont, die WHO habe das Szenario
vom Labor-Unfall bereits als äußerst
unwahrscheinlich bezeichnet.</p>
<p>Was die amerikanische Innenpolitik betrifft, wäre
eine Bestätigung der Labor-Theorie eine Blamage für
die Demokraten und ein Triumph für den abgewählten
Präsidenten <a
href="https://www.sueddeutsche.de/thema/Donald_Trump"
target="_blank" rel="noopener noreferrer"
id="reader.external-link.num-6">Donald Trump</a>. Er
und enge Vertraute wie Außenminister Mike Pompeo
hatten schon im vergangenen Frühjahr <a
href="https://www.axios.com/pompeo-coronavirus-wuhan-lab-5f305526-9ceb-49af-943a-fd8291a6d5d9.html"
target="_blank" rel="noopener noreferrer"
id="reader.external-link.num-7">behauptet</a>, das
Virus stamme vermutlich aus einem Labor in Wuhan. Sie
legten aber keine Beweise für diesen Vorwurf vor, auch
gegenüber verbündeten Staaten nicht.</p>
<p>In den USA formierte sich damals eine breite Front
von Journalisten, Wissenschaftlern und demokratischen
Politikern, die Trump bezichtigten, durch unbewiesene
Unterstellungen rassistische Ressentiments zu schüren.
Dass das ein Nebeneffekt war, wenn der damalige
Präsident demonstrativ vom "China-Virus" sprach, ist
nicht ausgeschlossen. Allerdings liegt auch nahe, dass
die Vehemenz, mit der die These vom Labor-Unfall lange
Zeit abgelehnt wurde, sehr viel mit politisch
motivierter Abneigung gegen Trump zu tun hatte,
weniger mit der bekannten Faktenlage.</p>
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