[D66] Die Nato trainiert den Atomkrieg
R.O.
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Sat Oct 17 09:12:35 CEST 2020
17 Oct 2020
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Von Thomas Gutschker, Brüssel
Die Nato trainiert den Atomkrieg
Warum die Übung dieses Jahr nicht mehr so geheim ist /
Jahrzehntelang ist keine Nato-Übung so geheim gewesen wie diese:
„Steadfast Noon“. Einmal im Jahr, immer im Oktober, trainieren die
transatlantischen Verbündeten den Einsatz amerikanischer Atombomben.
Doch in diesem Jahr geht das Bündnis kommunikativ in die Offensive. Am
Freitag besuchte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die
niederländische Luftwaffenbasis Volkel. Sie ist einer der Orte, wo die
amerikanischen Atombomben für den Fall des Falles lagern. „Diese Übung
ist ein wichtiger Test für die nukleare Abschreckung der Allianz“, sagte
Stoltenberg. Die Übung sei defensiv und nicht gegen ein Land gerichtet.
Die Nato suche nicht den Konflikt, sondern wolle den Frieden bewahren.
Doch er fügte hinzu: „In einer immer ungewisseren Welt spielen unsere
Nuklearkräfte weiterhin eine wichtige Rolle in unserer gemeinsamen
Verteidigung.“
Eigentlich hätte er sagen müssen: eine immer wichtigere Rolle. Denn die
Allianz reagiert darauf, dass Russland sein nukleares Arsenal stark
ausbaut. Mehrfach haben sich Stoltenberg und auch die
Verteidigungsminister besorgt geäußert. Das betrifft die neuen
Hyperschallwaffen ebenso wie das Mittelstreckensystem SSC-8, mit dem
Moskau gegen den INF-Vertrag verstoßen hat. Diese landgestützten
Marschflugkörper können mit Atomsprengköpfen bestückt werden, was die
strategische Lage in Europa entscheidend verändert: Die Nato muss damit
rechnen, dass Moskau einen Konflikt nuklear eskaliert und die gesamte
Allianz bedroht. Sie muss deshalb die Stützpunkte verteidigen können, wo
die weniger als 200 taktischen Atomwaffen in Europa lagern. Das sind
neben Volkel die Flugplätze Kleine-Brogel in Belgien, Aviano und Ghedi
in Italien und Büchel in der Eifel. Auch Incirlik in der Türkei ist
dafür vorgesehen, doch dürften dort inzwischen keine Bomben mehr sein.
Offiziell bestätigt die Nato keinen der Standorte. Aber an mehreren
dieser Orte wird in diesem Jahr geübt – nicht, wie üblich, nur an einem
Ort. Die Allianz begründet das mit der Pandemie, sie will große
Zusammenkünfte vermeiden. So ist das Einsatzszenario auch realistischer.
Mehr als fünfzig militärische Flugzeuge nehmen an der Übung teil, die
insgesamt zwei Wochen dauert. Die Amerikaner haben zwei
B-52-Langstreckenbomber entsandt, die Bundeswehr nimmt mit ihren in die
Jahre gekommenen TornadoKampfflugzeugen teil. Die fünf Staaten mit
Atomwaffenlagern verfügen über eigene Trägerflugzeuge. Darüber hinaus
beteiligen sich an der Übung die sieben Staaten des „Snowcat“-Verbundes,
sie stellen den nuklearen Jagdbombern Geleitschutz.
Die Bundeswehr übt derweil in Büchel, wie sie den Flugplatz gegen
Angriffe verteidigen kann. Auch das geschieht ungewohnt transparent. Bei
der Übung „Resilient Guard“beansprucht ein „Nachbarstaat deutsches
Gebiet“, teilte Generalinspekteur Eberhard Zorn am Mittwoch auf Twitter
mit. Für das Flugabwehrraketengeschwader 1 gehe es darum, „die kritische
Infrastruktur in einem Raum von fünf bis zehn Quadratkilometern zu
schützen“. Die Nato müsse solche Szenarien üben, heißt es in der
Allianz, um „widerstandfähiger“zu werden. Das sei wichtiges Element der
strategischen Neuausrichtung.
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