[D66] Europäische Rechte: Rechtspopulist Thierry Baudet: Der Vertreter einer neuen Avantgarde?
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Wed Jan 29 14:44:55 CET 2020
(Duitsland heeft de fascist Baudet ontdekt)
Europäische Rechte: Rechtspopulist Thierry Baudet: Der Vertreter einer
neuen Avantgarde?
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stern.de
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Was wäre, wenn die AfD einen wie ihn an die politische Front schicken
könnte? Gut aussehend, charmant, 36 Jahre alt, Historiker und
Rechtsphilosoph, der mit rhetorischer Finesse öffentliche Debatten
prägt? Perfekter Auftritt, das Publikum im Bann: Der kometenhafte
Aufstieg von Thierry Baudet unter den Politikern in den Niederlanden hat
etwas Guttenberghaftes. Nur ist Baudet Rechtspopulist,
Rechtsnationalist, erklärter Feind der Eliten.
Er wähnt sich auf einer historischen Mission. "Wir sind die neue
Avantgarde", sagt er. Anders als bei der Revolte der Youtuber geht es in
seinem Kampf um eine Renaissance, ein Zurück zu Nation, Souveränität,
Identität. Es ist ein Kampf gegen die Eliten in Politik, Medien,
Universitäten, die Erben der 68er mit ihrer "Oikophobie", wie Baudet das
nennt – der Angst vor der eigenen Kultur. Er bekämpft ihr
"Parteienkartell", ihr supranationales System in Brüssel.
Etablierter Rechtspopulismus
Er regt auf. Er provoziert. Er macht im Herbst 2016 aus einem
EU-feindlichen Thinktank die Partei "Forum für Demokratie". Er sagt:
"Ich bin der bedeutendste Intellektuelle in den Niederlanden." Und zieht
gegen den Feminismus zu Felde, nennt den Klimawandel einen
"Mystizismus". Die EU verteufelt er mit akademischer Arroganz: "Ich habe
selbst über die EU nachgedacht. Wir müssen raus, ein Nexit, alles andere
ist Unsinn."
Er will Schlagzeilen. Seine Antrittsrede im Parlament 2017 beginnt er
auf Latein, steht bei einer Verteidigungsdebatte in Tarnweste am
Rednerpult, lässt einen Flügel ins Büro hieven. Inszenierte Politik.
Und doch mehr. In weniger als drei Jahren hat Baudet es geschafft,
36.000 Parteimitglieder zu rekrutieren. Das sind mehr als die AfD im
weitaus größeren Deutschland hat. Schulungen, Sommercamps, Nutzung von
Social Media – die Jugendorganisation des "Forums" hat 5000 Mitglieder.
"Wir sind an die Front gerufen worden", sagt er, als seine Partei bei
den Provinzwahlen im März 2019 zur stärksten politischen Kraft wird.
Nach der Europawahl nun ist der Rechtspopulismus auf dem Kontinent
flächendeckend etabliert – Matteo Salvini in Italien, Gewinne für die
Populisten in Ungarn, Polen, Frankreich, Großbritannien. Baudets "Forum
für Demokratie" kam auf elf Prozent der Stimmen, weniger als vorher
gesagt. Jedoch: von null auf elf Prozent. Drei seiner Getreuen ziehen
ins EU-Parlament.
Ein früher Nachmittag im Amsterdamer Grachtenviertel. Baudet hat einem
Interview zugestimmt. Es soll um die Zukunft gehen. Das Parteibüro liegt
an einer Gracht. Fischgratparkett, hohe Decken, Kartons mit
Mineralwasser. Am großen Tisch im Erdgeschoss arbeitet eine Handvoll
Berater. Thierry Baudet erscheint in blauer Strickjacke, beigefarbener
Hose. "Willkommen in unserem Start-up!"
Er legt gleich los. Wahlen sehe er nicht als entscheidenden Moment der
Geschichte. Unverkennbar sei in Europa ein Trend, der eine Stimme suche:
"Eine Bewegung ist im Entstehen." Und: "Wir können eine Rolle dabei
spielen, den euroskeptischen Parteien Inhalt und Sinn zu geben. Eine
Brücke sein, der Kitt." Salvini nennt er "einen Helden Europas", Marine
Le Pen bewundert er und Victor Orbán. Aber wie lassen sich die Egoismen
und Interessen bündeln? "Vielleicht ist das mein Schicksal", sagt
Thierry Baudet. "Mein Job ist es, Ideologe zu sein."
Heim, Garten und Geschichte
Seine Ideologie: "Es geht um einen neuen Ansatz für unsere
Gesellschaften." Immer mehr Liberalismus und individuelle Befreiung
seien keine Lösung mehr in einer Welt im Umbruch mit all ihren neuen
Krisen. Mit verdrängten Mittelklassen, "Massenimmigration", Freihandel,
Sozialdumping. "Sozialer Zusammenhalt fehlt fast völlig und fast überall
in der westlichen Welt." Was in den Sechzigern und Siebzigern "eine
Spaß- und Befreiungsbewegung war - mit freiem Sex und Beatles, prima -
ist heute rostige, fixe Ideologie. Baudet beugt sich vor: "Wir sind die
neue Avantgarde."
Für ihn gilt es, den Sinn zu schärfen für Patriotismus, auch für
wirtschaftliche Solidarität. Den Freihandel beschränken,
"Masseneinwanderung", die Ansprüche des Einzelnen. "Wir sind nicht alle
Migranten. Wir wollen nicht in anonymen Apartmentblocks leben. Wir
wollen ein Heim und einen kleinen Garten und sichere Bezüge zu unserer
Geschichte." Das alles sei Teil dieser Ideologie. Auch Donald Trump sei
ein Exponent. "Und ich bin überzeugt davon, dass es die dominante
Ideologie sein wird für das 21. Jahrhundert. Möchten Sie einen Kaffee?"
"Diese Leute sehen sich tatsächlich als Vorreiter einer Zeitenwende,
nicht nur als weitere Partei", sagt Markus Wilp, Politikwissenschaftler
am Zentrum für Niederlande-Studien der Universität Münster. Kollege
André Krause ergänzt, dass die Inhalte nicht neu seien, ein Rechtsruck
in den Niederlanden nicht feststellbar sei – "mit Thierry Baudet haben
bekannte Botschaften allerdings eine neue Verpackung erhalten". Geert
Wilders, der alte Fackelträger der Islamophobie ist vielen Gebildeten zu
vulgär.
Baudet setzt auf eine breitere Wählerbasis und gut ausgebildete
Mitarbeiter. Als Tschechiens früherer Ministerpräsident Václav Klaus
neulich auf Einladung von Baudets "Renaissance-Institut" eine Rede
hielt, waren unter den 500 Gästen im Amsterdamer Konzerthaus Banker,
Finanzexperten, Ärzte, Anwälte, Risikoberater, IT-Fachleute.
"Die meisten von uns führen erfolgreiche Leben", sagt Thierry Baudet.
"Sie sprechen mehrere Sprachen. Sie durchschauen Konsequenzen. Das ist
keine Bewegung der Verlierer, die mit dem Tempo des modernen Lebens
nicht mitkommen, im Gegenteil." Die Zuhörer spendeten viel Beifall, als
Václav Klaus über Multikulti, Gendergerede und Klima-Unsinn spottete.
Alt-Right-Bewegung
Was sagt Baudet zum Skandal in Österreich, der die Regierung sprengte?
FPÖ-Mann Karl-Heinz Strache offenbarte in einem heimlich
mitgeschnittenen Video dubiose Spendentaktiken. Das Video kenne er nicht
mal, sagt er. Nachrichten verfolge er kaum, seit 13 Jahren habe er
keinen Fernseher. Wer sind denn seine Spender? "Wir haben einen kleinen
Parteietat und eine Graswurzelkampagne gemacht." Ein paar größere
Spenden habe es geben, 20.000 Euro, 30.000 Euro, holländische
Unternehmer, einer mit einer Firma in Singapur, einer auf Zypern. Er
habe sie getroffen bei einer Tasse Kaffee, aber nie Versprechungen gemacht.
Baudet reagiert bei kritischen Fragen ganz ruhig. Warum etwa distanziert
er sich nicht klar von Rechtsextremen? Wieso teilt er ein Video von "120
Dezibel", Ableger der rechtsextremen "Identitären" aus Deutschland?
"Puh, Gänsehaut" twitterte er dazu und versprach eine andere
Einwanderungspolitik. In dem Clip werfen Frauen Migranten pauschal
Vergewaltigung und Mord vor.
Baudet sagt, er wisse nicht, was diese Identitäre Bewegung wirklich sei.
Doch auf Einladung von Erkenbrand, einer Gruppe der Identitären in den
Niederlanden, war im Herbst 2017 der amerikanische Rassist Jared Taylor
angereist. Und Baudet hockte fünf Stunden lang mit eben diesem Taylor
zusammen. Der gilt als Verfechter des weißen Überlegenheitsdenkens und
Einflüsterer der amerikanischen Alt-Right-Bewegung. "Natürlich spreche
ich mit einer Führungsfigur aus einer Bewegung, die einen Mann ins Weiße
Haus bringen kann", sagt Thierry Baudet. "Und ich möchte wissen, was in
Amerika vor sich geht."
Er habe auch Alexander Dugin getroffen, "laut Medien Ghostwriter von
Wladimir Putin". Der Russe gilt als Neofaschist und Ideengeber der Neuen
Rechten in Russland. Im April 2018 war er in den Niederlanden.
"Natürlich fragte ich ihn, ob er mit mir einen Kaffee trinkt", erzählt
Baudet, "und er sagte Ja."
Grenze zum Faschismus
Alles nur intellektuelles Interesse? Oder passt es in ein Muster, das
Baudets Sympathie für rechtsradikale Denker an der Grenze zum Faschismus
zeigt, wie ein niederländischer Journalist schrieb? "Ich nehme das nicht
ernst", sagt Baudet. "Es hieß auch, ich hätte Jean-Marie Le Pen besucht,
weil ich ihn bewundere. Lächerlich." Le Pen, der Vater von Marine Le
Pen, ist die Ikone des französischen Rechtsextremismus. "Ich befragte
ihn in Paris für meine Doktorarbeit, genau wie viele andere, Alain
Finkielkraut zum Beispiel", sagt Baudet. "Sie alle baten darum, dass ich
meine fertige Arbeit präsentiere. Alles andere ist Bullshit."
Und dann sagt Thierry Baudet: "Es ist doch erschreckend, dass wir solche
Angst vor Ideen haben."
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