[D66] Der reaktionäre Nationalismus der „Alternative für Deutschland“

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Wed Apr 17 08:28:46 CEST 2013


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Der reaktionäre Nationalismus der „Alternative für Deutschland“
Kommentar
Von Peter Schwarz
17. April 2013

Die Gründung der Anti-Euro-Partei „Alternative für Deutschland“ wird 
allgemein als Angriff auf die Europapolitik der Bundesregierung 
dargestellt. Regierungssprecher Steffen Seibert und andere Vertreter der 
Regierungskoalition haben die neue Partei deshalb scharf kritisiert. 
Tatsächlich besteht dieser Gegensatz aber nur an der Oberfläche. Die 
Entstehung einer rechten Anti-Euro-Partei in Deutschland ist die 
logische Konsequenz aus der Europapolitik der Bundesregierung, die auch 
von der SPD, den Grünen und der Linkspartei unterstützt wird.

Die herrschenden Eliten Deutschlands haben die Integration Europas unter 
dem Dach der Brüsseler Institutionen jahrzehntelang nahezu einhellig 
befürwortet. Nach Kriegsende half ihnen die Versöhnung mit Frankreich, 
ihre Kriegsverbrechen unter den Teppich zu kehren. Das wirtschaftliche 
Wachstum, das durch den Wegfall der Binnengrenzen beschleunigt wurde, 
erleichterte den sozialen Kompromiss.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs profitierte die deutsche 
Exportindustrie dann stark von der EU-Osterweiterung und der Einführung 
des Euro. Osteuropa mit seinen niedrigen Löhnen diente ihr als 
verlängerte Werkbank, während die gemeinsame Währung den Wechselkurs für 
die deutsche Wirtschaft senkte und ihr den Zugang zum Weltmarkt und die 
Vorherrschaft über Europa erleichterte.

Mit der 2008 einsetzenden Finanz- und Wirtschaftskrise änderte sich das. 
Zwischen Oktober 2008 und Dezember 2011 wandten die europäischen 
Regierungen insgesamt 1,6 Billionen Euro auf, um marode Banken zu 
retten. Seither besteht die deutsche Regierung in enger Zusammenarbeit 
mit der EU darauf, diese Gelder auf Kosten von Sozialausgaben und Löhnen 
zurückzuholen. In Griechenland hat sie ein Exempel statuiert und den 
Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten durch fünf Sparprogramme 
auf Dritte-Welt-Niveau gesenkt. Zypern hat sie über Nacht die 
wirtschaftliche Grundlage entzogen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihre Zustimmung zum 
Euro-Rettungsschirm wiederholt bis zur letzten Sekunde hinausgezögert, 
um maximalen Druck auf notleidende Regierungen auszuüben. Dabei handelt 
es sich bei den vergebenen Geldern lediglich um Kredite und Garantien, 
an denen Deutschland kräftig verdient. Mit der Verschärfung der 
Rezession, die durch die Austeritätspolitik verursacht wurde, wächst nun 
die Gefahr, dass ein vom Rettungsschirm abhängiges Land Pleite geht und 
die Schulden auf den deutschen Haushalt zurückfallen.

Darauf reagiert die Alternative für Deutschland.

Sie stimmt voll mit Merkels Austeritätspolitik überein und will diese 
weiter verschärfen. In ihrem Programm fordert sie, „die Schuldenbremse 
zu achten und die Schuldenberge abzubauen“. Die Steuern für Reiche will 
sie durch „eine drastische Vereinfachung des Steuerrechts in Anlehnung 
an das Kirchhof’sche Steuermodell“ reduzieren und damit den Sparzwang 
zusätzlich verschärfen. Die Europäische Union will sie beibehalten und – 
unter Berufung auf den britischen Regierungschef David Camerons – „durch 
mehr Wettbewerb und Eigenverantwortung verschlanken“.

Gleichzeitig will die AfD verhindern, dass der deutsche Fiskus in 
irgendeiner Weise durch schwächere EU-Mitglieder belastet wird. Daher 
ihre Forderung nach der Wiedereinführung nationaler Währungen sowie ihre 
Ablehnung einer Transferunion und von staatlich finanzierten Rettungsfonds.

Hatte Bundeskanzler Helmut Kohl in den neunziger Jahren noch das 
Scheckbuch gezückt und den deutschen EU-Beitrag erhöht, um Differenzen 
zwischen EU-Mitgliedern zu überbrücken, beharrt die AfD nun auf dem 
uneingeschränkten Vorrang nationaler Eigeninteressen. Sie formuliert 
damit einen Standpunkt, der in den herrschenden Eliten zunehmend an 
Unterstützung gewinnt und sich auch im rücksichtslosen Auftreten von 
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gegenüber Griechenland und Zypern 
widerspiegelt.

Die AfD spricht dabei gezielt konservative Mittelschichten an, die nach 
der Beschlagnahmung zyprischer Konten um ihre Ersparnisse oder deren 
Entwertung durch Inflation fürchten. Einer der wenigen Forderungen, die 
sich im Programm der AfD neben Währungs- und Steuerfragen finden, ist 
der „Schutz der Familie als Keimzelle der Gesellschaft“ – ein Schlagwort 
für rechtskonservative Schichten.

Im Gegensatz zu anderen Anti-Euro-Parteien, wie dem französischen Front 
National, hält sich die AfD vorläufig mit rechtspopulistischen Parolen 
zurück und bemüht sich, als seriöse Partei des gebildeten Bürgertums 
aufzutreten. Doch das ist nur die Oberfläche. Kratzt man daran, liegen 
rechtsextreme Standpunkte dicht darunter. So, wenn das Programm fordert: 
„Eine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme muss unbedingt 
unterbunden werden“.

Ein Korrespondent der Zeit beschrieb anschaulich den Kontrast zwischen 
der zur Schau getragenen Wohlanständigkeit und der populistischen 
Stimmung der Delegierten auf dem Gründungsparteitag. Während sie im Saal 
als „Bürgertum mit Lesebrille und Bundfaltenhose“ auftraten, wetterten 
sie auf den Fluren gegen Political Correctness, die Homo-Ehe und 
„kriminelle osteuropäische Banden“. Die Rede von Parteiführer Bernd 
Lucke, einem Hamburger Wirtschaftsprofessor, kommentierte die Zeit mit 
den Worten: „Das Wort Volk ist gefühlt das häufigste in seiner Rede.“

Während die AfD die Blütezeit der D-Mark in der Adenauer-Ära beschwört, 
drängt sie in Wirklichkeit zu den Zuständen der 1930er Jahre zurück. 
Damals nahmen die nationalen Interessen in Europa überhand und entluden 
sich schließlich im zweiten blutigen Weltgemetzel innerhalb von 25 
Jahren. Die AfD mag in ihrem Programm noch so sehr ein europäisches 
Zusammenleben „in Freundschaft und guter Nachbarschaft“ beschwören, die 
Zunahme nationaler Spannungen und Konflikte ist die unausweichliche 
Folge ihrer Politik.

Die AfD profitiert davon, dass die SPD, die Grünen und die Linkspartei 
die reaktionäre Politik der EU uneingeschränkt unterstützen. Obwohl sie 
in der Opposition sind, haben SPD und Grüne im Bundestag stets für die 
Europapolitik der Regierung Merkel gestimmt.

Nur eine unabhängige politische Bewegung der Arbeiterklasse kann der AfD 
Einhalt gebieten. Sie muss deren reaktionären Nationalismus ebenso 
zurückweisen wie die Europäische Union und den Euro. Letztere verkörpern 
nicht die „Einheit Europas“, sondern das Diktat des Finanzkapitals über 
Europa. Sie sind zum wichtigsten Werkzeug einer sozialen 
Konterrevolution geworden, die den Lebensstandard der europäischen 
Arbeiterklasse um Jahrzehnte zurückwirft.

Die einzige fortschrittliche Alternative zur Europäischen Union ist der 
Aufbau Vereinigter Sozialistischer Staaten von Europa. Er setzt voraus, 
dass sich die Arbeiterklasse in ganz Europa zusammenschließt und 
Arbeiterregierungen an die Macht bringt, die das wirtschaftliche Leben 
auf sozialistischer Grundlage reorganisieren, so dass es den 
gesellschaftlichen Bedürfnissen und nicht den Profitinteressen des 
Kapitals dient.

Dafür kämpfen die Partei für Soziale Gleichheit und das Internationale 
Komitee der Vierten Internationale.


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