Afghanistan: Bundeswehr darf Zivilisten t öten

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Afghanistan: Bundeswehr darf Zivilisten töten
Von Peter Schwarz
13. Februar 2010

Die Bundesregierung stuft den Militäreinsatz in Afghanistan jetzt als
Bürgerkrieg oder, wie es in der juristischen Fachsprache heißt, als
"nicht internationalen bewaffneten Konflikt" ein. Das gab
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Mittwoch in einer
Regierungserklärung vor dem Bundestag bekannt. Bisher hatte die
Regierung von einer Stabilisierungsoperation zur Friedenssicherung
gesprochen.

Die Neubewertung hat weit reichende rechtliche Folgen. Bei einem
Bürgerkriegseinsatz gilt das Völkerkriegsstrafrecht und nicht, wie
bisher, das deutsche Straf- und Polizeirecht. Bisher durften deutsche
Soldaten theoretisch nur in einer Ausnahmesituation, etwa zur
Selbstverteidigung, von der Schusswaffe gebrauch machen. Das
Völkerstrafrecht ist wesentlich großzügiger und duldet sogar die
Tötung unbeteiligter Zivilisten, wenn sie in einem angemessenen
Verhältnis zum erwarteten "militärischen Vorteil" steht.

Deutsche Soldaten, die afghanische Zivilisten erschießen, müssen jetzt
nicht mehr automatisch mit Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
rechnen. Letztere muss nur noch tätig werden, wenn die Tötung
"unverhältnismäßig" ist, wobei dieser Begriff höchst vage definiert
ist. Die Bundeswehr erhält mit der Neubewertung zwar keinen Freibrief,
wahllos Zivilisten zu töten, aber die Hemmschwelle wird deutlich
herabgesetzt. Das Risiko, dass ein Soldat wegen der Tötung
Unbeteiligter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird, ist
wesentlich geringer.

Seit am 4. September letzten Jahres bis zu 142 Afghanen, darunter
zahlreiche Zivilisten, in einem von Bundeswehroberst Georg Klein
angeordneten Luftangriff starben, haben führende Militärs systematisch
für eine solche Neubewertung des Afghanistaneinsatzes geworben. An der
Spitze dieser Kampagne stand Verteidigungsminister Karl-Theodor zu
Guttenberg (CSU), der schon kurz nach dem Massaker von Kundus von
einem "nicht internationalen bewaffneten Konflikt" sprach. Nun hat die
Bundesregierung diese Bewertung offiziell übernommen.

Begründet wurde die Forderung nach einer Neubewertung stets mit dem
Argument, die Soldaten bräuchten "Rechtssicherheit". Auch
Außenminister Westerwelle erklärte vor dem Bundestag: "Die Lage beim
Namen zu nennen, sind wir all denen schuldig, die sich vor Ort den
Gefahren aussetzen." Tatsächlich ist die Neubewertung mit einer
massiven Eskalation des Krieges verbunden, die die Bundeswehrsoldaten
in Afghanistan weit höheren Risiken und Gefahren aussetzen wird, als
dies bisher der Fall war.

Die Gefechte zwischen deutschen Soldaten und Aufständischen haben in
den vergangenen Monaten stetig zugenommen. Die Zeit, in der der Norden
des Landes, für den die Bundeswehr zuständig ist, als relativ ruhig
galt, ist längst vorbei. Im Rahmen der von der amerikanischen
Regierung beschlossenen Truppenaufstockung werden außerdem 5.000
US-Soldaten in den Norden verlegt, die dort gemeinsam mit der
Bundeswehr Krieg führen werden.

Im Rahmen der Untersuchungen über das Massaker von Kundus ist auch
bekannt geworden, dass deutsche Elitetruppen gezielt Jagd auf die
Führer der Aufständischen machen. So steht inzwischen fest, dass
Oberst Klein den tödlichen Einsatz vom 4. September vom Kommandostand
der "Task Force 47" aus leitete.

Die Tätigkeit dieser 200 Mann starken Elitetruppe unterliegt strikter
Geheimhaltung. Sie besteht zur Hälfte aus Mitgliedern des Kommandos
Spezialkräfte (KSK), das über eine eigene, unabhängige Befehlsstruktur
verfügt. Ihre Aufgabe besteht im Aufspüren und der Verfolgung
führender Aufständischer, über die die Nato eine so genannte "Joint
Priority Effects List" führt. Wer auf dieser Liste steht, ist
praktisch vogelfrei. Er darf von ausländischen Soldaten jederzeit
festgenommen oder getötet werden.

Oberst Klein wurde in der Nacht des tödlichen Angriffs von mehreren
Mitgliedern der "Task Force 47" beraten. Nach jüngsten Informationen
befanden sich im Befehlsstand auch zwei Mitglieder des
Auslandsgeheimdiensts BND in Zivil. Vieles deutet darauf hin, dass
Klein den Angriffsbefehl gab, um führende Aufständische zu
eliminieren, die von den Spezialtruppen und den Geheimdienstlern in
der Nähe der bombardierten Tanklaster vermutet wurden. Der Tod
Dutzender Zivilisten wäre dann billigend in Kauf genommen worden.

Nach einem jüngsten Bericht von SpiegelOnline, der sich auf geheime
Nato-Unterlagen beruft, plante die "Task Force 47" am selben Tag die
Festnahme von Mullah Shamsudin, der als einer der führenden
Taliban-Kommandeure in der Region Kundus gilt. Die Operation sei aber
auf Wunsch britischer Eliteeinheiten abgebrochen worden, die nur 50
Meter von Shamsudins Versteck entfernt den entführten Times -Reporter
Stephen Farrell befreiten.

Es stelle sich nun "die heikle Frage, ob die Spezialeinheit KSK nach
der Entführung der Fahrzeuge womöglich spontan die Chance sah, mit der
Autorisierung durch Oberst Klein gezielt Taliban-Führer rund um die
Tanker zu eliminieren", folgert SpiegelOnline.

Die Neubewertung des Afghanistan-Einsatzes durch die Bundesregierung
dient nicht zuletzt dazu, derartige Einsätze besser vor der
Öffentlichkeit zu verbergen und juristisch abzudecken. Experten sind
sich einig, dass Oberst Klein voraussichtlich direkt von der
Neubewertung profitieren wird. Die Bundesstaatsanwaltschaft prüft
derzeit, ob sie Klein wegen des Massakers von Kundus anklagen soll.
Beurteilt sie den Einsatz als bewaffneten Konflikt und bringt das
Völkerstrafrecht zur Anwendung, wird Klein vermutlich straffrei
ausgehen. Er muss dann höchstens eine Disziplinarstrafe wegen
Verletzung der Nato-Einsatzregeln befürchten.

Klein selbst sagte am selben Tag, an dem Außenminister Westerwelle
seine Regierungserklärung abgab, fünf Stunden lang vor dem
Verteidigungsausschuss des Bundestags aus, der das Massaker von Kundus
untersucht. Ursprünglich war erwartet worden, dass der Oberst von
seinem Aussageverweigerungsrecht gebrauch macht. Doch er beschloss, in
die Offensive zu gehen. Laut seinem Anwalt verteidigte er das
Bombardement als militärisch notwendig und rechtmäßig. Der Ausschuss
tagte geheim, so dass Einzelheiten nicht bekannt wurden.

Mit der Neudefinition des Afghanistaneinsatzes hat die Bundesregierung
die Verwandlung der Bundeswehr in eine imperialistische
Interventionsarmee um eine weitere Stufe vorangetrieben. Seit das
Bundesverfassungsgericht am 12. Juli 1994 überraschend festgestellt
hatte, dass bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Auftrag der
Vereinten Nationen oder im Rahmen der NATO vom Grundgesetz gedeckt
seien, ist diese Verwandlung Schritt für Schritt vorangetrieben worden
- meist über die Köpfe des Parlaments hinweg und gegen die öffentliche
Meinung.

Auch jetzt diente der Bundestag weder lediglich als Kulisse für eine
Entscheidung, die die Bundesregierung ohne öffentliche Diskussion
getroffen hat und die von der großen Mehrheit der Bevölkerung
abgelehnt wird. Laut dem ZDF-Politbarometer vom 29. Januar zweifeln 76
Prozent der Befragten am Erfolg des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan
und 65 Prozent lehnen die jüngst beschlossene Truppenverstärkung ab.

http://wsws.org/de/2010/feb2010/afga-f13.shtml

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