Was repr äsentiert die Piratenpartei?

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Bundestagswahl:
Was repräsentiert die Piratenpartei?
Von Dietmar Henning und Andreas Kunstmann
5. September 2009

Zur Bundestagswahl kandidiert erstmals die Piratenpartei. Sie ist erst
vor drei Jahren gegründet worden und konzentriert sich auf ein
einziges Thema: die Informationsfreiheit im Internet.

Die Wurzeln der Piratenpartei gehen auf Schweden zurück. Dort war am
1. Januar 2006 die weltweit erste Piratenpartei gegründet worden. Sie
entstand im Umfeld der Website Pirate Bay, die den (meist illegalen)
Austausch von Musik, Filmen, Software und anderen Internetdateien
vermittelt. Nachdem die Betreiber von Pirate Bay im April 2009 in
Stockholm erstinstanzlich wegen Verletzung des Urheberrechts zu
einjährigen Haftstrafen und Schadenersatzleistungen in Höhe von 2,75
Millionen Euro verurteilt worden waren, erzielte die schwedische
Piratenpartei bei der Europawahl mit 7 Prozent der Stimmen einen
Überraschungserfolg.

Mittlerweile gibt es Piratenparteien in Deutschland, der Schweiz,
Österreich, Frankreich und Peru. Andere sind im Aufbau.

Die deutsche Piratenpartei wurde im September 2006 beim
Bundeswahlleiter registriert. 2009 erhielt sie bei der hessischen
Landtagswahl 0,5 und bei der Europawahl 0,9 Prozent der abgegebenen
Stimmen. Im Juni schloss sich der SPD-Abgeordnete Jörg Tauss der
Piratenpartei an. Er vertritt sie seither im Bundestag. Tauss hatte
sich mit der SPD überworfen, weil sie dem Zugangserschwerungsgesetz
zugestimmt hatte, das der Polizei das Recht zur Sperrung bestimmter
Internetseiten einräumt. Als Vorwand für das Gesetz diente die
Bekämpfung von Kinderpornografie.

Inzwischen zählt die deutsche Piratenpartei nach eigenen Angaben 7.200
Mitglieder. Für die Bundestagswahl vom 27. September wird ihr eines
der besten Ergebnisse unter den kleineren Parteien vorausgesagt. Es
ist allerdings unwahrscheinlich, dass sie die für den Einzug in den
Bundestag notwendigen fünf Prozent erreicht.

Das Programm der Piratenpartei ist äußerst begrenzt. Es beschränkt
sich mit einer Ausnahme, der Bildung, ausschließlich auf Themen, die
in direktem Zusammenhang mit dem Internet stehen: Informationelle
Selbstbestimmung, freier Wissensaustausch, Reform des Urheber- und
Patentrechts, Transparenz und Datenschutz.

So lehnt die Piratenpartei die Online- und Video-Überwachung oder die
Vorratsdatenspeicherung ab, die von der rot-grünen Regierung unter
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der Großen Koalition unter
Angela Merkel (CDU) im Rahmen der "Anti-Terror-Gesetze" eingeführt
wurden. Sie wendet sich auch gegen Patente auf Software, ein
Standpunkt, der insbesondere bei Anhängern von Open-Source-Software
nahezu selbstverständlich ist.

Sie tritt für Änderungen beim Urheberrecht ein. "Privatleute ohne
kommerzielle Interessen" sollen (wie früher) das Recht haben, "Werke
frei verwenden und kopieren zu dürfen". Den digitalen Kopierschutz der
Großkonzerne der Musik-, Film- und Softwareindustrie lehnt die
Piratenpartei ab. Die Einführung einer pauschalen Abgabe für
Urheberrechtsvergütungen (die so genannte Kulturflatrate) für
Internet-Nutzer wird zwar in der Partei diskutiert, taucht im
Wahlprogramm jedoch nicht auf.

Die Piratenpartie wirbt außerdem für mehr "Transparenz des
Staatswesens" und eine "transparente Staatsführung". Das
Informationsfreiheitsgesetz sei noch nicht "auf einem zufrieden
stellenden Niveau angekommen". Mit einer verbesserten Transparenz
staatlicher "Entscheidungsfindungsprozesse" sollen diese "für den
Bürger wahrnehmbar und nachvollziehbar" werden. Die "Transparenz" soll
aber laut Wahlprogramm ausdrücklich dort enden, wo die "nationale
Sicherheit" betroffen ist.

Im Bildungsbereich lehnt die Piratenpartei jede Art von Gebühren
kategorisch ab. Dies sei notwendig, "um jedem Menschen, unabhängig von
seiner sozialen Herkunft, ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher
Teilhabe zu ermöglichen", heißt es auf ihrer Website. "Bildung ist
eine der wichtigsten Ressourcen der Wirtschaft, da nur durch den
Erhalt, die Weitergabe und die Vermehrung von Wissen Fortschritt und
gesellschaftlicher Wohlstand auf Dauer gesichert werden können."

Unterstützung findet die Piratenpartei hauptsächlich in der
Internetgemeinde. Ihre Bundestagskandidaten sind fast ausschließlich
Softwareentwickler, Informatiker und Ingenieure.

Die Piratenpartei weigert sich explizit, zu sozialen Fragen oder zu
anderen politischen Themen Stellung zu beziehen. "Wir möchten
politisch nur vertreten, wovon wir auch etwas verstehen und keine
Kompetenzen vorgeben, die wir noch nicht besitzen", heißt es dazu auf
ihrer Website. In einem Internetforum antwortet die Piratenpartei auf
die Frage, ob sie links oder rechts sei: "Nein, wir Piraten sehen uns
außerhalb der Geraden zwischen den Extremen ?rechts’ und ?links’." Die
Partei stehe nicht irgendwo in der Mitte, "sondern außerhalb dieser -
unser Meinung nach zu simplen - eindimensionalen Betrachtungsweise von
politischen Positionen."

Man kann darin einen Ausdruck politischer Naivität erblicken,
tatsächlich handelt es sich um eine gezielte Täuschung der Wähler. In
einer von sozialen Gegensätzen zerrissenen Gesellschaft kann keine
Partei über den Klassen stehen - auch die Piratenpartei nicht. Sie
bekennt sich ausdrücklich zur Marktwirtschaft, zur bürgerlichen
Verfassung und zum kapitalistischen Staat, auch wenn sie einige seiner
Auswüchse kritisiert.

Ihr Lob auf die Verfassung kennt keine Grenzen. "Wir stehen hinter dem
Grundgesetz in der grundsätzlichen Form, wie es unsere Gründungsväter
1949 ausgearbeitet haben", heißt es im ersten Kapitel ihres
Wahlprogramms. Und in dem bereits zitierten Internetforum erklärt die
Piratenpartei: "Die Frage des 21. Jahrhunderts lautet nicht ?rechts’
oder ?links’, ?konservativ’ oder ?sozialdemokratisch’. Es geht um
Freiheit oder Autoritarismus. Wir positionieren uns ganz klar auf der
Seite der Freiheit. Oberste Autorität für uns ist die freiheitliche
und demokratische Grundordnung nach unserem Grundgesetz."

Das könnte so oder ähnlich auch im Grundsatzprogramm der FDP stehen.

Die Vorschläge der Piratenpartei zum Urheberrecht zielen darauf ab,
neue "Geschäftsmodelle" für "Künstler, Schriftsteller, Journalisten,
Programmierer und andere Kulturarbeiter" zu entwickeln, die es "den
Urhebern der digitalen Kulturgesellschaft ermöglichen, auf
marktwirtschaftliche Art und Weise Erlöse aus der Verwertung ihrer
Werke oder deren Umfeld zu erzielen".

In der Unterhaltungsmusikindustrie verspricht sie sich eine bessere
"Verdienstmöglichkeit durch die Ausschaltung der Zwischenhändler" -
also der großen internationalen Musikkonzerne. So könne "den Künstlern
vom Erlös ihrer Werke ein größerer Teil" verbleiben und direkter
zufließen.

Außerdem lehnt sie eine "wettbewerbsverzerrende Beeinflussung" der
öffentlichen Infrastruktur (Straßen-, Schienen- Stromnetze,
Wasserwege) durch "privatwirtschaftliche Interessen" ab. Der Staat
"als einzig öffentlich kontrollierbare Instanz" müsse Betreiber
solcher Netze bleiben.

Hier spricht der von den Großkonzernen gebeutelte Kleinbürger, der
sich um den Anteil an seiner Arbeit betrogen fühlt und den Staat als
Schiedsrichter anruft. Nach irgendwelchen Themen die die
Arbeiterklasse betreffen - Tariflöhne, Arbeitnehmerrechte,
Arbeitsplätze, Hartz IV und ähnlichem - sucht man dagegen im Programm
und den Verlautbarungen der Piratenpartei vergeblich.

Programmatisch ist die Piratenpartei eine rechte, bürgerliche Partei,
die der FDP und den Grünen nahe steht. In Thüringen ist sie bereits
bei den jüngsten Landtagswahlen ein Bündnis mit den Grünen
eingegangen. Und auch der schwedische Abgeordnete der Piratenpartei im
Europaparlament hat sich der dortigen Grünen-Fraktion angeschlossen.

Aber auch eine Zusammenarbeit mit den anderen Parteien, die in den
vergangenen Jahren für den Ausbau des Überwachungsstaats, die
Aushöhlung des Datenschutzes und die Einschränkung der
Informationsfreiheit verantwortlich waren, kann sich die Piratenpartei
vorstellen. So erklärt ihr Sprecher, Aaron Koenig, in einem Video auf
Youtube, er würde auch mit der CDU und der SPD in einer Regierung
koalieren, wenn diese den Forderungen der Piratenpartei entgegenkämen.

Koenig ist Gründer und Geschäftsführer der Bitfilm Networks GmbH, die
sich mit "Bewegtbild-Inhalten im Netz" beschäftigt, und im
Bundesvorstand der Piratenpartei für externe Kommunikation zuständig.
Er ist der Partei erst im Juli beigetreten. Neben seiner Tätigkeit als
Geschäftsführer betätigt er sich auch als "Musiker, Webdesigner, Maler
und Journalist".

Unterstützung findet die Piratenpartei vor allem bei jüngeren
Menschen, deren Leben durch die moderne Technologie auf der einen und
irreguläre Arbeit auf der anderen Seite geprägt ist und die von den
etablierten Parteien im Stich gelassen werden - insbesondere bei
Studenten und Akademikern aus dem Bereich elektronischer Medien.

Doch die Piratenpartei wird ihre Anhänger rasch enttäuschen. Es ist
nicht möglich, in einer sozial gespaltenen Gesellschaft demokratische
Rechte zu verteidigen, ohne gleichzeitig zu den brennenden sozialen
und politischen Fragen klar Stellung zu beziehen. Selbstbestimmung,
Teilhabe, Transparenz und all die anderen schönen Dinge, für die sich
die Piratenpartei einsetzt, lassen sich nicht verwirklichen, solange
eine kleine Finanzoligarchie den Reichtum der Gesellschaft
kontrolliert und alle wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen
diktiert.

Mit dem Ausbau des Überwachungsstaats, der Aushöhlung des
Datenschutzes und der Einschränkung der Informationsfreiheit, die im
Wahlprogramm der Piratenpartei ausführlich beschrieben werden,
reagiert die herrschende Klasse auf die wachsenden sozialen
Spannungen. Sie richten sich gegen die arbeitende Bevölkerung und die
Gefahr einer sozialen Rebellion.

Die Verteidigung demokratischer Rechte erfordert daher ein
sozialistisches Programm. Die neuen Medien und das Internet benötigen
eine offene und freie Gesellschaft, in der nicht der Profit einer
handvoll Großkonzerne, sondern die sozialen und intellektuellen
Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung im Vordergrund stehen.
Demokratie ist nur denkbar, wenn die Grundlagen der kapitalistischen
Herrschaft - Profit, Privateigentum, Marktwirtschaft - in Frage
gestellt werden.

Siehe auch:
Bundestag beschließt Einstieg in die Internet-Zensur
(25. Juni 2009)
Zehn Jahre World Wide Web
( 23. Januar 2001)

http://www.wsws.org/de/2009/sep2009/pira-s05.shtml

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